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Schafkopf: Wenn ein Roter auf die Blaue spielt


"Auf die Blaue" gespielt hat Thomas Müller sicher schon unzählige Male auf den Auswärtstrips mit dem FC Bayern. Doch bevor dem ein oder anderen der Schreck in die Glieder fährt, mit dem Stadtrivalen 1860, umgangssprachlich "Die Blauen", hat das gar nichts zu tun: Mit der Ansage signalisiert Müller in der mannschaftsinternen Schafkopfrunde, dass er zusammen mit dem Inhaber der "Grün-Ass" spielen möchte. Die eigene Sprache, das ist schon die erste Spezialität des Schafkopfs, des in Bayern am weitesten verbreiteten Kartenspiels.

Als "Urbayerisch" gilt er, der Schafkopf - das ist ein Mythos. Die Leiterin des Deutschen Spielkartenmuseum Dr. Annette Köger geht davon aus, dass der Schafkopf aus dem Thüringer Wald oder dem Erzgebirge stammt. Das erste Dokument stamme aus Leipzig aus dem Jahre 1803. Generell sind Herkunft und Entstehungsgeschichte schlecht dokumentiert. Es wurde im heutigen Ostdeutschland eine Variante des Wendischen Schafkopfs gespielt, der sehr dem heutigen in Bayern verbreiteten Schafkopf ähnelt. "Da waren bereits Ober und Unter Trumpf", sagt Manfred Hausler, Autor des Buches "Trommler und Pfeifer", dass sich der Geschichte der Bayerischen Spielkarten widmet. Hausler geht davon aus, dass Schafkopf zunächst in Franken und der Oberpfalz verbreitet war und erst später nach Ober- und Niederbayern kam. "Wenn man sich die bayerische Literatur anschaut, in Zeiten von Ludwig Thoma (1867-1921), ist nur von Tarock und Grasoberln die Rede", so Hausler.

Wenngleich das Spiel seinen Ursprung nicht in Bayern hat, so wurde immerhin das erste Regelbuch hier herausgebracht. Der Amberger Verlag Obsis veröffentlichte 1895 "Das Schafkopf Büchlein". Die Regeln darin entsprechen im Grunde den heutigen Standards. "Woher aber der Begriff Schafkopf kommt, wissen wir nicht, da wird man auch nichts mehr finden", schätzt Hausler. Dazu stehen verschie- dene Theorien im Raum. Wilhelm Blum, Ehrenvor- sitzender des 1. Münchener Schaffkopfvereins, hält folgende am plausibelsten: "Schaffkopf wurde von den Schäfflern auf dem Kopf des Schaffls (ovaler Waschtrog Anm. d. Red) gespielt. Dementsprechend müsste das Spiel korrekt mit Doppel-F geschrieben werden." Hausler hält von dieser Theorie hingegen überhaupt nichts: "Man kann auf einem Schaffl niemals Karten spielen." Das "Schafkopf Büchlein" führt den Namen darauf zurück, dass seinerzeit nach Beendigung eines einzelnen Spieles die Siegermannschaft einen Strich machen durfte. Das wurde gemacht, bis das Bild eines Schafkopfs vollständig war. Der Gewinner erhielt danach den Preis des Spieles ausbezahlt.

Lesen Sie im zweiten Teil über typische Spielzüge und die Sprache der Schafkopfer.

"Weniger Wirte, die Schafkopfrunden gut finden"

"Ziel beim Schafkopf ist es, dass eine Partei die andere besiegt, mit mindestens 61 Punkten", umreißt Blum kurz den Grundsinn. Dabei klingt heraus, dass es sich beim Schafkopf um ein Augenspiel handelt, die Anzahl der Stiche ist erst einmal sekundär. Schafkopf wird mit dem Bayerischen Blatt gespielt, alle Karten werden ausgeteilt, jeder Spieler erhält acht Karten. Grundspiele sind Ruf- oder Sauspiele sowie Soli. Meldet der Spieler ein Sauspiel an, spielt er mit einer Ass zusammen, die er selbst bestimmt. Wer sein Partner ist, stellt sich erst im Laufe des Spiels heraus. Hierbei sind Ober, Unter und Herzkarten Trumpf. Höherwertiger sind Solis. Hier versucht der Spieler alleine die drei weiteren Mitspieler zu besiegen. Hier sind Ober, Unter und die angemeldete Farbe Trumpf. Je nach Region und Runde gibt es noch weitere Sonderspiele.

"Ein Unikum für das Spiel", wie der Experte sagt, ist auch die eigene Sprache, die die Spieler benutzen. Häufig fällt diese derb aus und für Neuensteiger sind die Kartenbenennungen erst einmal verwirrend. Wie eingangs genannt, ist die "Blaue" die "Grün-Ass". Zudem gibt es häufig für ein und die selbe Karte eine Vielzahl an Bezeichnungen, auch regional bedingt. Besonders für die Schellen-Ass gibt es eine Vielzahl wie Kugel, Kugelbauer-Theres, Bumbl, Hundsgfickte, Geldsau...

Für Blum, der 2001 den ersten Münchener Schafkopfverein gründete, machen die Spannung und der Kombinationsreichtum den Reiz des Spieles aus. Ebenso wichtig ist ihm aber auch die Geselligkeit, die mit den Schafkopfrunden einhergeht: "Der soziale Aspekt ist der Hauptanlass für die Vereinsgründung, wir wollen im Verein Freundschaften pflegen." Jedoch sei es in der Landeshauptstadt nicht immer leicht, für eine Schafkopfrunde ein Lokal zu finden: "Es gibt insgesamt weniger Wirte, die Schafkopfer gut finden. Aber es gibt nach wie vor Anlaufstellen. Wir sind nicht heimatlos", so Blum.

Was den Schafkopf-Nachwuchs betrifft, dürfte es gerne mehr sein: "Auch wenn es immer junge Leute gibt, die Schafkopf lernen wollen, gibt es insgesamt eher wenig Nachwuchs", schätzt der Schafkopfexperte ein. Was aber erfreulich sei, dass generell mehr Frauen Interesse am Schafkopf zeigen. Gerade bei den Anfängerkursen, die es mittlerweile in Vielzahl an den Volkshochschulen gibt, sei das zu beobachten. Über den Daumen gepeilt, könne ein Anfänger in drei Abenden von etwa drei bis vier Stunden Schafkopfen erlernen. Doch Blum merkt auch an: "Beim Schafkopfen ist es wie mit dem Autofahren. Wer den Führerschein bekommt, kann noch nicht Autofahren. Es braucht Übung, Übung, Übung."

Gut zu wissen

Jedes Wochenende finden in Bayern zahlreiche Schafkopfturniere statt, bekannt als "Schafkopfrennen" oder "Preisschafkopf". Hier "karteln" nicht selten über 100 Spieler um Geld- und Sachpreise. Die meisten Turniere sind unter www.schafkopfrennen.de zu finden.