Glaube an Veränderung

Pia Ihedioha aus Dingolfing hat dem Rassismus den Kampf angesagt

Nach dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd beschloss Pia Ihedioha, dass sie nicht mehr schweigen will - doch der Kampf gegen Rassismus ist nicht immer einfach.


Ihedioha hat die Initiative "Magazin of Color" mitgegründet.

Ihedioha hat die Initiative "Magazin of Color" mitgegründet.

Von Franziska Schröppl

Neun Menschen hat am 19. Februar 2020 in Hanau ein Täter aus rassistischen Gründen getötet. Drei Jahre später ist es Pia Ihedioha wichtig, dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten. Sie erstellte zum diesjährigen Jahrestag einen Beitrag für die sozialen Medien für das "Magazin of Color". Ein antirassistisches Magazin, das sie 2020 mitgegründet hat. Auch Ihedioha ist von Rassismus betroffen. "Sich einerseits mit solchen schrecklichen Taten zu beschäftigen und dann im nächsten Moment erklären zu müssen, warum Rassismus in Deutschland noch ein Problem ist, geht an die Psyche," erklärt Ihedioha.

Pia Ihedioha ist ein aufgeschlossener Mensch. Sie lacht viel und reißt einige Witze. Gleichzeitig spricht sie überlegt - immer darauf bedacht, niemanden zu diskriminieren. An Bezeichnungen ein hörbares "-innen" zu hängen, ist für sie ganz normal. Meist redet sie Hochdeutsch, nur vereinzelt hört man, dass sie aus Niederbayern, genauer aus Dingolfing, kommt. Ihedioha leitet das "Magazin of Color". Ein Magazin, dass sich mit Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzt. "Magazin of Color" ist eine Initiative von BIPoC-Menschen für BIPocs und alle, die an den Inhalten interessiert sind. BIPoC bedeutet Schwarze, Indigene und People of Color, wörtlich "Menschen von Farbe". Ein Begriff, der alle von Rassismus betroffene miteinschließen soll.

Pia Ihedioha stellt das "Magazin of Color" auch auf verschiedenen Veranstaltungen vor, wie hier auf der "Pride"-Veranstaltung in Passau.

Pia Ihedioha stellt das "Magazin of Color" auch auf verschiedenen Veranstaltungen vor, wie hier auf der "Pride"-Veranstaltung in Passau.

"Ich möchte nicht mehr nichts sagen"

Eigentlich könnte Ihedioha mittlerweile schon mit ihrem Grundschullehramt Studium fertig sein. Doch im März 2020 kam etwas dazwischen. In den USA ermordete ein Polizist auf brutale Art und Weise den Afroamerikaner George Floyd und wurde dabei gefilmt. Das Video ging um die Welt und so auch die Protestwelle, die folgte. "Das war für mich der Punkt, an dem ich beschloss: Ich möchte nicht mehr nichts sagen."

Ihedioha fing an, Demonstrationen zu organisieren, und Reden zu halten. "Ich habe aber schnell festgestellt: Das reicht nicht." Um mehr verändern zu können, hat sie deshalb das "Magazin of Color" mitgegründet. Mittlerweile leitet Ihedioha das Team aus neun Ehrenamtlichen allein. Gestartet sind sie alle zusammen in Passau, heute leben sie aber auf ganz Deutschland und Österreich verteilt.

Das Team koordinieren, ein Vollzeitstudium, ein Magazin leiten und aktivistisch tätig sein. Das kann zu viel werden. "Letztes Jahr bin ich an meine Grenzen gekommen", sagt Ihedioha, "ich habe mental sehr gekämpft." Die richtige Balance zu finden, ist für sie vor allem am Anfang schwer gewesen. Wenn so viel Leidenschaft hinter einem Projekt steht, sei es schwierig, die Arbeit, die man leistet, auch als solche zu sehen.

Erste Ausgabe des Magazins erschien im Mai 2021

"Gleichzeitig erfahre ich ja immer noch Rassismus. Ich kann nicht nur emotionslos die Arbeit machen, ich bin ja selbst betroffen." Da sie eine rassismuskritische Plattform führt, wird sie regelmäßig nach ihren eigenen Erfahrungen gefragt. Ihedioha möchte aber keine persönlichen Erlebnisse mit Rassismus mehr teilen. Das sei retraumatisierend, erklärt sie.

Immer wieder komme die Frage, ob es Rassismus in Deutschland überhaupt noch gebe. "Es ist anstrengend, ständig das Gleiche zu erklären und gleichzeitig das Gefühl zu haben, dass sich trotzdem nichts ändert", sagt die Studentin. "Ich würde mir wünschen, dass der Diskurs endlich weiterkommt." Dass es Rassismus in Deutschland noch gibt, hat erst Anfang dieses Jahres eine repräsentative Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors herausgearbeitet: Etwa zwei Drittel der Bevölkerung sind schon einmal direkt oder indirekt mit Rassismus in Berührung gekommen.

Deshalb möchten Ihedioha und ihr Team bei den Themen des "Magazin of Color" tiefer gehen. Die erste Ausgabe des Magazins erschien im Mai 2021 und hatte das Thema "Wissen ist Macht". Im Dezember letzten Jahres kam die zweite Ausgabe zu "Intersektionalität" heraus. Im Moment arbeiten Ihedioha und ihr Team an der dritten Ausgabe "Generation(en)". Den Inhalten des Magazins sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. Gedichte, Illustrationen und Buchrezensionen stehen neben sachlichen Texten zum jeweiligen Thema. Viele Beiträge bekommt das Team von "Magazin of Color" zugesandt. Sie möchten Menschen, die von Rassismus betroffen sind, die Möglichkeit geben, selbst von ihren Erfahrungen und ihrem Leben zu berichten.

Viele sind begeistert, dass es so ein Magazin hier gibt

Ihedioha stellt das "Magazin of Color" auch oft auf Veranstaltungen vor, so wie auf der "Pride"-Veranstaltung im Juni in Passau. Hier werden Menschen jeglicher sexueller Orientierung und jeder Geschlechteridentität gefeiert. Ihedioha hat auf der Veranstaltung einen Stand und hält eine Rede. Es kommen viele Menschen zu ihr - begeistert, dass es ein solches Magazin in Niederbayern gibt. Doch vereinzelt gibt es auch skeptische Stimmen. Die Frage, was ein antirassistisches Magazin auf einer solchen Veranstaltung zu suchen hat, wird von ein paar wenigen gestellt. "Manchmal habe ich das Gefühl, nicht mal auf solchen Veranstaltungen, bei denen es um Toleranz geht, wirklich willkommen zu sein", sagt die Studentin. Auf der Webseite der "Pride"-Demonstration schreiben die Veranstalter, dass sie sich "für eine offene, bunte Gesellschaft sowie für Menschenrechte, die für alle gleichermaßen gelten", einsetzen. Zu dieser bunten Gesellschaft sollten Menschen wie Ihedioha auch dazugehören.

Ihedioha hat gelernt, auf sich selbst zu achten

Das Ihedioha viel Zeit und Mühen in das Projekt investiert, bestätigt Joanne, die auch für das "Magazin of Color" arbeitet. Joanne ist für die Illustrationen zuständig und spricht mit Künstlern, die in dem Magazin vorgestellt werden. "Ich muss Pia immer wieder sagen, dass sie einen Gang zurückschalten muss. Sie arbeitet so viel für das Projekt." Für das Team sei Ihedioha eine wichtige Schnittstelle, erklärt Joanne. "Bei Fragen oder Anregungen kann man immer auf sie zukommen."

Pia Ihedioha hat mit der Zeit gelernt, auf sich zu achten. Sie sagt jetzt offen im Team, wenn es nicht mehr geht, und ihr ist es wichtig, dass alle anderen bei "Magazin of Color" das auch können. Dabei arbeiten sie nach Kapazität: Jeder macht so viel, wie er oder sie kann. "Ich will den Aktivismus und all die Dinge, die wir mit ‚Magazin of Color' machen, so lange wie möglich betreiben. Dafür ist es wichtig, auf die Psyche zu achten."

Für Ihedioha ist die Nähe zu Niederbayern und ihrer Heimat wichtig, denn auch hier gibt es Menschen, die von Rassismus betroffen sind. "Wir wollen BIBoCs in Bayern und Niederbayern repräsentieren und ihnen hier eine Plattform geben", erklärt sie.

Der Glaube an das Projekt lässt Pia Ihedioha trotz allem immer weiter machen. So sagte sie auch in ihrer Rede auf der "Pride"-Veranstaltung: "Unsere Stimmen sind der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und für Veränderung sorgen wird."

Zur Autorin:

Franziska Schröppl studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Ihr Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.