Bayern
Peter Maffay erinnert sich an Löwenbräukeller-Drama 1973: "Es war schrecklich"
12. April 2023, 10:55 Uhr
München - Seit mittlerweile 53 Jahren steht Peter Maffay als Musiker auf der Bühne. Hunderttausende Fans haben seine Konzerte besucht. Kaum jemand weiß: Am Anfang seiner Karriere kam es nach einem Auftritt in München zu einer Massenpanik - ein Albtraum auch für jeden Künstler, der vor großem Publikum spielt.
An jenem Donnerstag vor genau 50 Jahren sang Peter Maffay im Löwenbräukeller zwischen der Wahl zum "Bravo-Mädchen des Jahres" und dem Auftritt der britischen Rockband Sweet. 3000 junge Besucher drängten sich im Saal. Am Ende strömten alle aus dem ersten Stock hinunter zum Ausgang. Doch dort war nur eine Hälfte einer Flügeltür geöffnet - die Tür wurde zur Todesfalle. Die Teenager stürzten übereinander, während von hinten die Masse immer weiter schob. Zwei Mädchen (14, 15) starben, 23 Jugendliche wurden verletzt.
AZ: Herr Maffay, die tragischen Ereignisse liegen sehr lange zurück. Sie erinnern sich wahrscheinlich trotzdem noch gut daran, oder?
PETER MAFFAY: Es war eine Bravo-Veranstaltung. Bravo war zu diesem Zeitpunkt das Sprachrohr der Teenager. Ich weiß noch, dass der Raum pickepackevoll war. Nachher las man, dass die Kapazität überschritten war. Am Ende der Veranstaltung hieß es, dass jetzt alle den Raum verlassen würden. Wir haben unsere Sachen gepackt und sind auch raus. Von dem schrecklichen Unfall haben wir erst gehört, als wir draußen waren.
"Es hat ein enormes Gedränge geherrscht"
Woran erinnern Sie sich noch?
Im Treppenhaus hatte enormes Gedränge geherrscht. Aber das erlebt man in anderen Veranstaltungen auch. Ich denke, wenn diese Tür komplett geöffnet gewesen wäre - die hat wohl ein Security nicht richtig aufgemacht - dann wäre nichts passiert. Dann wären alle rausgekommen, das Ventil wäre groß genug gewesen, alle auf die Straße zu bringen. Aber wenn da ein Stau entsteht und einige Hundert Leute drücken nach, dann ist das eine Gewalt ... gegen die kommt kaum jemand an.
Vor der Tür hat sich ein Stau gebildet. Dort wurden die zwei Mädchen tödlich verletzt.
Es war schrecklich. Eine ähnliche Situation habe ich in unserer Tourneetätigkeit Gott sei Dank nicht wieder erlebt. Es war das einzige Mal.
"Der Tod von Menschen ist immer einschneidend"
Die etwa 3000 Besucher waren sehr jung. Sie auch, Sie standen mit 23 am Anfang Ihrer Karriere. War das damals einer Ihrer ersten größeren Auftritte?
Nein, es gab davor schon Preisverleihungen wie die Löwenverleihung von Radio Luxemburg in der Dortmunder Westfalenhalle, das war damals die größte Arena mit 11 000 oder 12 000 Plätzen.
Ok. Das ist eine andere Liga.
Aber Bravo war eine der wichtigsten Medienadressen überhaupt. Wenn die eine Veranstaltung machten, war das immer sehr gut besucht und effizient. Da traten dann alle Protagonisten auf, die in dieser Phase eine Rolle spielten. Das war schon eine Hausnummer, salopp ausgedrückt. Gerade für einen Newcomer - ich war damals ein Newcomer - war das eine gute Plattform. Fatal, wenn das Ganze aufgrund von Organisationsschwächen zu so einem schlimmen Ende führt.
"Da ist man alarmiert"
Was hat das emotional ausgelöst bei Ihnen?
Der Tod von Menschen - ob in diesem Zusammenhang oder auch sonst - ist ja immer einschneidend. Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber gerade wenn es einen jungen Menschen trifft, ist es vielleicht noch tragischer. Er hat das Leben vor sich.
Hat dieses Ereignis Einfluss gehabt auf spätere Auftritte?
Ja, hat es. Mir wurde ja auf tragische Weise deutlich vor Augen geführt, mit welchen Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Sicherheitsvorschriften gerechnet werden muss. Im Ausland sind ähnliche Dinge passiert. Da ist man alarmiert und hält sich aus ureigenstem Interesse daran, dass man Vorkehrungen, die für die Sicherheit der Besucher zu treffen sind, einhält. Sie fragen, wie man auf so etwas reagiert: Man tut alles, um Vorkommnisse dieser Art zu vermeiden.
"Der Umgang mit Sicherheitsvorschriften hat sich enorm verbessert"
Seit 1973 hat sich extrem viel verändert, wie Konzerte - und generell Großveranstaltungen - abzulaufen haben.
Das Tourgeschäft und der Umgang mit Sicherheitsvorschriften hat sich enorm verbessert. Früher ist man zu so einer solchen Veranstaltung gegangen und war froh, Teil davon zu sein, alles war euphorisch und neu. Im Vergleich zu heute war das ein Sandkastenspiel. Die 60er und 70er Jahre waren eine Umbruchzeit, da ist vieles entstanden, was es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Von daher fehlte wahrscheinlich auch einfach die Erfahrung, richtig damit umzugehen. Man hat viele Leute zusammengebracht, um ein Ereignis zu feiern und zu gestalten. Über die Auswirkungen von Fehlern, die in diesem Zusammenhang gemacht werden können, ist in dem Umfang, wie das heute der Fall ist, nie nachgedacht worden. Das hat man erst aufgrund von solchen Vorkommnissen angefangen.
"Auch heute passieren noch vergleichbare Dinge"
Wie ist es heute?
Heute können wir keine Tour starten, ohne dass die Sicherheitsaspekte minuziös geplant sind. Und wir können keinen Abend spielen, wenn der TÜV die Halle nicht freigibt. Der checkt natürlich vorher, ob alle Vorschriften eingehalten werden. Und das ist richtig so!
Heute ist es kaum vorstellbar, dass sich in Deutschland solch fatale Sicherheitspanne wie 1973 im Löwenbräukeller wiederholen könnte.
Ja, aber auch heute noch passieren vergleichbare Dinge - denken Sie an Sportveranstaltungen und so weiter. Es gibt andere Gefahrenpotenziale: Gewalt, Feuerwerkskörper, Tumulte, etc. Aber das Aufgebot von Sicherheitskräften und der Aufwand, mit dem man versucht, solchen Ereignissen entgegenzuwirken, hat eine völlig andere Dimension angenommen.