Archäologie
Neue Kammer in der Cheops-Pyramide von Gizeh nachgewiesen
2. März 2023, 11:21 Uhr aktualisiert am 2. März 2023, 16:31 Uhr
Ein internationales Forschungsteam in Ägypten hat in der berühmten Cheops-Pyramide von Gizeh eine neue Kammer entdeckt. Bereits vor Jahren hatten Messungen auf einen verborgenen Hohlraum hingewiesen. Durch ein Endoskop, das durch einen schmalen Spalt zwischen zwei giebelartig angeordneten Steinen geführt wurde, sei nun die Existenz einer erstaunlich große Kammer bestätigt worden. Das teilte die Technische Universität München (TUM) mit, die mit einem Team an der Entdeckung beteiligt war.
Die Cheops-Pyramide zählt zu einem der Sieben Weltwunder der Antike. Der Fund sei nicht zuletzt besonders bedeutsam, weil die Pyramide als eines der am besten untersuchten Bauwerke der Welt gelte, erläuterten die TUM-Wissenschaftler am Donnerstag. Im Inneren der Kammer seien keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise auf menschliche Aktivitäten zu sehen. Daher nimmt die Forschungsgruppe laut TUM an, dass diesen Raum seit rund 4500 Jahren kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat.
Die Kammer befindet sich oberhalb des eigentlichen Zugangs an der Nordseite der Pyramide. Der zwischen 17 und 23 Meter über Bodenniveau liegende Korridor überschreite nach ersten Schätzungen sogar die ursprünglich vermutete Größe von mindestens fünf Meter Länge. Laut ägyptischem Antikenministerium soll der Korridor neun Meter lang und 2,10 Meter breit sein.
"Einen Hohlraum in einer Pyramide zu entdecken, ist schon etwas Besonderes. Aber dass diese Kammer groß genug ist, um mehrere Menschen aufzunehmen, das macht es noch viel bedeutender", sagt Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung an der TUM. Die Münchner sind seit 2019 an dem internationalen Forscherteam namens ScanPyramids beteiligt, das seit 2015 die ägyptischen Pyramiden mit unterschiedlichen Mitteln und Technologien untersucht.
Ägyptologen werten den Fund als außergewöhnlich. "Es ist spektakulär, denn die Kammer ist wirklich groß", sagte der Ägyptologe Alexander Schütze von der Ludwig-Maximilians-Universität, der nicht an den Forschungen beteiligt war. Allerdings ist die Bedeutung der Kammer womöglich nur eine technische. "Es sieht für mich sehr danach aus, dass es sich um eine weitere Entlastungskammer handelt, die den immensen Druck der Steine von der Eingangskonstruktion nehmen sollte", sagte Schütze. "Der Fund wird auch das Verständnis der Bauweise vorantreiben."
Der Münchner Ägyptologe Frank Müller-Römer, der sich mit dem Bau der Pyramiden befasst, sieht in dem Fund weiteres Potenzial. "Es sieht aus wie eine Entlastungskammer." Es sei aber offen, was darunter sei und entlastet werden sollte. "Das sollte weiter untersucht werden."
Nicht zuletzt über der Königskammer gibt es Räume, auf denen giebelartig angeordnete Steinen ruhen und die nach bisherigen Erkenntnissen zur Entlastung dienen. Die Steine über den Gängen und Kammern wiegen Millionen Tonnen.
"Entlastungskammern sind grundsätzlich bekannt", sagt auch der Bauforscher am Deutschen Archäologischen Institut Kairo, Martin Sählhof. Es erscheine ihm plausibel, wenn am früheren Eingang derartige Hohlräume konstruiert worden seien. Viele Fragen zu Statik und Bauprozess seien aber noch offen.
Bis heute gibt es Rätsel auf, wie die alten Ägypter vor rund 4500 Jahren die immensen Pyramiden mit den viele Tonnen schweren Blöcken bauten. Die Messungen des ScanPyramids-Teams sollen auch dazu beitragen, die Baugeschichte der Cheops-Pyramide und den inneren Aufbau besser zu verstehen.
Grundlage für den Fund der versteckten Kammer waren Messungen mit der Myonentomografie gewesen, einem bildgebenden Verfahren zur dreidimensionalen Abbildung großvolumiger Objekte mittels kosmischer Strahlung. Diese ließen die Existenz eines Hohlraums in der sogenannten Großen Pyramide vermuten, wie die beteiligten Wissenschaftler 2017 in dem Fachmagazin "Nature" berichteten. Schon damals war das spektakulär - die Rede war in Medien von einer ersten Entdeckung dieser Größenordnung im Innern der Cheops-Pyramide seit dem 19. Jahrhundert.
Zur näheren Untersuchung setzte das TUM-Team unter Leitung von Christian Große solche Methoden wie Radar und Ultraschall ein. "Die Pyramiden gehören zum Weltkulturerbe. Deshalb müssen wir bei der Untersuchung besonders vorsichtig vorgehen, damit keine Beschädigungen entstehen", sagte Große. Radar- und Ultraschallmessgeräte könnten nicht nur zerstörungsfrei, sondern teilweise sogar kontaktfrei angewendet werden.
Die Myonentomografie hatte Dichteunterschiede im Bauwerk gezeigt, denen die Forscher weiter nachgingen. Sie hatten dann vermutet, dass es sogar zwei unterschiedlich große Hohlräume an verschiedenen Stellen in der Pyramide gibt. Der eine konnte nun bestätigt werden. Der andere Hohlraum im Zentrum der Pyramide könnte, falls er sich bestätigt, größer sein - noch immer birgt die Pyramide Rätsel.
Weitere Forschungsarbeit sei nötig, hieß es bei der TUM. Die genaue Funktion des Kammer- und Schachtsystems im Innern der monumentalen Pyramide, die rund 140 Meter aufragt, ist nicht vollständig geklärt.
Spekuliert wurde sogar, ob in einer der Kammern die Mumie des Pharao Cheops liegen könnte. Der Sarkophag in der Königskammer war leer vorgefunden worden. Doch Forscher gehen eher davon aus, dass die Mumie nicht in der Pyramide ist. "Es gibt meines Erachtens keinen Grund, eine Art Versteck zu vermuten, wo man die Überreste beigesetzt hat", sagte Schütze. Die Pyramide war geplündert worden, wahrscheinlich bereits in der Antike.