Bayern

Münchens IT-Referentin Laura Dornheim: "Ich habe abgetrieben und mir geht es bestens"

Ratgeber für Schwangere gibt es Tausende. Für Frauen, die es nicht mehr sein wollen, gibt es ab jetzt auch einen. Münchens IT-Referentin hat ihn geschrieben.


Laura Dornheim (Grüne) ist IT-Referentin bei der Stadt.

Laura Dornheim (Grüne) ist IT-Referentin bei der Stadt.

Von Christina Hertel

München - "Meine erste Schwangerschaft abzubrechen, war definitiv die richtige Entscheidung. Genauso, wie es später zweimal die richtige Entscheidung war, ein Kind zu bekommen. Die Abtreibung hat keine Spuren bei mir hinterlassen, weder körperlich noch psychisch. Es waren ein paar sehr anstrengende Tage, aber für mich persönlich wäre es danach nie wieder ein Thema gewesen. Ganz anders als bei meinen beiden Geburten. Dass ich so aktiv über meinen Abbruch spreche, liegt einzig und allein daran, dass ich so dazu beitragen will, das Tabu zu brechen und die Situation für ungewollt Schwangere zu verbessern. Und dazu gehört eben auch klar und deutlich zu sagen: Ich habe abgetrieben und mir geht es bestens.”

So schreibt Laura Dornheim in ihrem neuen Buch über ihre Abtreibung vor sieben Jahren, damals war sie 32. Kurz bevor die Grünen-Politikerin von Berlin nach München zog, um hier als IT-Referentin bei der Stadt zu arbeiten, hat sie es verfasst. "Deine Entscheidung" lautet der Titel, ab heute ist das Buch im Handel.

Darin geht es nur am Rande um ihre persönlichen Erfahrungen. Denn das Buch ist ein Ratgeber, wie es ihn für Schwangere wohl in tausendfacher Ausführung gibt - aber eben nicht für die, die es nicht mehr sein wollen.

Das Buch soll, so steht es auf dem Klappentext, wie eine Freundin sein, aber auch wie eine erfahrene Ärztin. Und so erklärt Dornheim alles, was Frauen vor und nach einem Abbruch beachten müssen, welche Methoden es gibt und an wen sich ungewollt Schwangere wenden können. Es kommen unter anderem Ärztinnen, Beraterinnen und Frauen, die abgetrieben haben, zu Wort.

Die Idee für den Ratgeber hatte sie, weil immer Bekannte bei ihr anriefen, um zu erfahren, wie es ihr mit ihrer Abtreibung erging. Dornheim kandidierte bei der Bundestagswahl in Berlin für die Grünen und sprach immer wieder öffentlich über das Thema.

Zwar ist der Eingriff an sich laut Dornheim "so alltäglich wie eine Blinddarm-OP". Denn beide Eingriffe werden in Deutschland gleich oft (nämlich etwa 100 000 Mal im Jahr) vorgenommen. Allerdings habe ihr ihre eigene Erfahrung vor Augen geführt, wie sehr ungewollt Schwangere noch immer gegängelt, bevormundet und stigmatisiert werden, schreibt Dornheim.

Ein Grund dafür ist, dass in Deutschland - ebenso wie in Österreich und der Schweiz - ein Abbruch als Straftat gilt, die unter bestimmten Voraussetzungen nicht verfolgt wird.

"Es gibt keine schlechten Gründe"

Zum Beispiel ist eine Beratung bei einer anerkannten Stelle verpflichtend. Dornheim erklärt, wie man eine seriöse Stelle findet, die der Schwangeren die Bescheinigung ausstellt, damit sie sich an einen Arzt wenden kann. Den zu finden, ist nicht leicht: Auf der Liste der Bundesärztekammer stehen für München gerade mal vier Praxen mit Telefonnummer und Adresse. Zum Vergleich: In Berlin sind es über 100. Auch, welche Methoden es gibt, und wie der Eingriff abläuft, kann man lesen. Außerdem räumt Dornheim mit vielen Mythen auf.

Zum Beispiel damit, dass "so etwas" nur jungen, verantwortungslosen Frauen passieren kann, wie Dornheim schreibt. Tatsächlich haben mehr als 60 Prozent derer, die sich für einen Abbruch entscheiden, bereits Kinder. Und überhaupt sei jede dritte Schwangerschaft ungeplant, heißt es in dem Buch.

Auch viele medizinische Details, die man vor Jahren wahrscheinlich im Bio-Unterricht gehört, aber bestimmt wieder vergessen hat, nennt sie. In der dritten Schwangerschaftswoche sei die befruchtete Eizelle kleiner als ein Punkt auf dieser Zeitungsseite. In der neunten Woche, wenn medizinisch von einem Fötus gesprochen wird, sei dieser etwa so groß wie eine Mandel. Und ab der 14. Woche, wenn in Deutschland die Frist endet, innerhalb derer ein legaler Abbruch möglich ist, sei der Fötus etwa so groß wie eine Zitrone. Dornheim appelliert, sich ausreichend Zeit für die Entscheidung zu nehmen, aber sie nicht unnötig hinauszuzögern.

Aber wie trifft man so eine Entscheidung überhaupt? Dornheim hat in einen Kalender eingetragen, wie sie sich fühlte, oben ja, unten nein. Am Ende sah es aus wie eine Fieberkurve. Trotzdem wurde ihr plötzlich klar, dass sie nicht bereit ist für ein Kind. Obwohl sie einen Job hatte, obwohl sie wusste, dass sie grundsätzlich Kinder will. Aber eben nicht jetzt.

Mit dem Klischee, dass es für eine Abtreibung gute Gründe braucht, räumt Dornheim in ihrem Buch auf. Und dem Anspruch, zur Leserin wie eine kluge Freundin zu sprechen, wird Dornheim gerecht. Denn die besten Freundinnen sind ja bekanntlich diejenigen, die einen nicht verurteilen.

HORIZONTALE LINIE

"Deine Entscheidung", Kunstmann Verlag, 20 Euroi