Anstieg der Falschmeldungen
Missbrauch von barrierefreier Notruf-App "Nora" nimmt zu
7. April 2023, 8:14 Uhr
Eine bundesweite Notruf-App soll Menschen in Notsituationen barrierefrei und kostenlos helfen. Doch der Missbrauch der App nimmt zu. Kann dies verhindert werden, ohne die App für Menschen mit Einschränkungen komplizierter zu machen?
Der Missbrauch der barrierefreien Notruf-App "Nora" hat in Bayern stark zugenommen. In der polizeilichen Vorgangsbearbeitung sind im Jahr 2023 bis zum 24. März bereits 80 vorsätzliche Falschmeldungen erfasst worden. Im Jahr 2022 seien es 72 Fälle gewesen, im Jahr 2021 nur 13 Fälle, teilte eine Pressesprecherin des Bayerischen Landeskriminalamtes auf Anfrage mit.
Trotz der gestiegenen Zahlen tun sich die Behörden schwer, die Regeln für die Registrierung zu verschärfen, um die Angabe falscher Daten zu verhindern. Die Registrierung sei bewusst einfach gehalten, "um vor allem Menschen mit Einschränkungen einen barrierefreien Zugang zum Notruf zu ermöglichen", sagte Jasmin Sikler, Sprecherin im Bayerischen Innenministerium.
Das für das Projekt "Nora" zuständige nordrhein-westfälische Innenministerium betonte, die bundesweite, kostenlose App habe sich für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen bewährt. Diesen Betroffenen gebe sie "neue Sicherheit und ein neues Sicherheitsgefühl", sagte eine Ministeriumssprecherin. Die App "wegen der Aktivitäten skrupelloser und auch krimineller Störer einzuschränken, würde zu Lasten von Menschen mit Behinderungen gehen". Notrufmissbrauch sei zudem kein neues Phänomen, absichtliche Falschmeldungen seien auch beim klassischen Sprachnotruf ein Problem.
"Der Missbrauch der Notruf-App erfolgt häufig durch professionelle Manipulation und Verschleierungstechniken", sagte die Ministeriumssprecherin. Dies geschehe oft durch absichtlich falsche Registrierungsdaten. So war es zuletzt auch in Bayern, als ein Nutzer erst im Raum Regensburg zwei Falschmeldungen und danach im Raum Garmisch-Partenkirchen eine weitere absetzte.
Maßnahmen gegen den Missbrauch des Notrufs würden laufend geprüft, mögliche Lösungen müssten aber "auf ihre technische Umsetzbarkeit und sämtliche Folgewirkungen auf das Notruf-App-System und ihre Nutzer überprüft werden", teilte das NRW-Innenministerium mit. Die Barrierefreiheit müsse aber im Fokus bleiben, betonte das bayerische Innenministerium.
Um einen Notruf mit "Nora" abzusetzen, müssen bis zu fünf Fragen zur konkreten Notsituation beantwortet werden - zum Beispiel: Sollen die Polizei oder die Feuerwehr alarmiert werden? Sind Menschen verletzt? Weitere Informationen wie zum Beispiel Vorerkrankungen können in der App gespeichert und mit dem Notruf an die Einsatzleitstellen gesendet werden. Wird der Notruf gewählt, erkennt die App automatisch den Standort des Handys und übermittelt diesen mit einem Klick an die Leitstelle. Bisher hatten hörgeschädigte Menschen in Notlagen zum Beispiel auf Gebärdendolmetscher oder Freunde zurückgreifen müssen. Die App wird kostenlos in den App-Stores angeboten.
Mittlerweile gibt es nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums mehr als 400.000 Registrierungen in der Notruf-App "Nora"; bis Februar 2023 wurden demnach mehr als 15.000 Notrufe damit abgesetzt. Die missbräuchliche Verwendung von Notrufen wird in Deutschland als Straftat verfolgt.