Bayern
Mietspiegel zeigt: Münchner Mieten steigen wie nie
8. März 2023, 18:02 Uhr aktualisiert am 8. März 2023, 18:02 Uhr
An schlechte Nachrichten über den Mietmarkt haben sich die meisten Münchner wohl gewöhnt. Doch tatsächlich fielen sie gestern besonders negativ aus. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) stellten den neusten Münchner Mietspiegel vor. So eine drastische Steigerung der Mieten haben sie noch nie erlebt, sagten beide.
Demnach liegt die durchschnittliche ortsübliche Nettomiete aktuell bei 14,58 Euro pro Quadratmeter - 21 Prozent mehr verglichen mit 2021 und sogar fast 25 Prozent mehr im Vergleich zu 2019. Der Quadratmeterpreis für Bestandsmieten liegt im aktuellen Mietspiegel bei 13,72 Euro (2019: 10,97 Euro) und der von Neuvermietungen bei 16,07 Euro (2019: 13,48).
Sozialreferentin Schiwy sprach von einer Hiobsbotschaft. Denn der Mietspiegel dient Vermietern als Orientierung für Erhöhungen. Seit 2015 gilt: Bei einer Neuvermietung dürfen Mieten maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel liegen.
Allerdings bildet der Mietspiegel die realen Mieten der Stadt nicht ab. Denn in ihn fließen nur Mieten ein, die in den vergangenen sechs Jahren neuvereinbart wurden. Günstige, alte Mietverträge und auch geförderte Wohnungen werden nicht eingerechnet. Sozialreferentin Schiwy spricht deshalb von einem "Mieterhöhungsspiegel".
Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich deshalb an die Bundesregierung gewandt. Er fordert nicht nur eine Reform des Mietspiegels, sondern auch, dass die Spielräume für Mieterhöhungen begrenzt werden. Momentan dürfen Vermieter in München die Miete alle drei Jahre um maximal 15 Prozent erhöhen. "Eigentlich steht im Koalitionsvertrag, diese Kappungsgrenze auf elf Prozent zu senken", sagte Reiter. Doch ein Gesetz gibt es dazu noch nicht. Doch der Kanzler Olaf Scholz, auch SPD wie der Münchner OB, verweise in solchen Fällen gern auf seinen FDP-Justizminister.
"Das ist nicht das, was ich erwartet habe", sagte Reiter und klang ziemlich enttäuscht von seinen Genossen in Berlin. Er habe erwartet, dass mit einem sozialdemokratischen Kanzler beim Baurecht mehr passiert, betonte Reiter noch mal.
Vielleicht wundern Sie sich nun beim Lesen: Enttäuschung über Mieten von 14,58 Euro pro Quadratmeter? Ist in den Zeitungsartikeln sonst nicht immer von 17, 18 oder gar 20 Euro pro Quadratmeter die Rede? Grund dafür ist laut Sozialreferat, dass etwa bei Analysen wie dem Wohnungsmarktbarometer oder dem IVD die Angebote und nicht die tatsächlichen Mieten untersucht werden.
Die Stadt hat für ihren Mietspiegel mit einem Marktforschungsunternehmen und auch mit dem Statistik-Lehrstuhl der LMU zusammengearbeitet. Rund 20 000 Haushalte wurden befragt, davon waren rund 8000 für den Mietspiegel relevant. Der Rest fiel raus, da es sich zum Beispiel um alte Verträge handelte.
Repräsentativ sind die Daten nach Ansicht des Rathauses dennoch. Um Wahlergebnisse vorherzusagen, würden meist nur um die 1000 Menschen befragt, erklärt eine Expertin aus dem Sozialreferat.
Eine gute Erklärung, warum die Mieten diesmal so viel krasser steigen als bei vergangenen Erhebungen, konnte niemand liefern. Anscheinend flossen diesmal mehr besonders gut ausgestattete Wohnungen in einer zentralen Lage mit ein. Allerdings ziehen dort die Menschen auch häufiger um. In der Altstadt leben die Münchner zwischen neun und zwölf Jahre in einer Wohnung - während es in Daglfing und in der Blumenau 15 Jahre sind. Die werden für den Mietspiegel aber alle sowieso nicht berücksichtigt.
Handlungsspielraum hat München (wenn Reiters Appelle in Berlin überhört werden) nur bei den eigenen Immobilien. 2019 beschloss der Stadtrat einen Mietenstopp. Noch bis 2024 werden die Mieten der rund 70 000 städtischen Wohnungen nicht erhöht.
Und dann? "Mein politischer Wunsch ist klar: Wir können den Mietenstopp nicht einfach aufheben", sagte Reiter. Dass die Stadt selbst zum Treiber des Mietmarktes werde, "das kann es nicht sein".