Bayern

Kritik an Riesen-Zwischennutzung am Gasteig: Subventionierte Konkurrenz?

Bis die Sanierung des Gasteigs beginnt, soll eine kulturelle Zwischennutzung einziehen. Doch einige Veranstalter sind unzufrieden. Sie befürchten, dass besonders kleine Bühne leiden und fragen sich, warum die Stadt überhaupt so lange herumtrödelt.


Vor gut eineinhalb Jahren fand das letzte Konzert im Gasteig statt. Die Kultur musste raus, weil das Gebäude saniert werden soll. 450 Millionen Euro soll das kosten. Momentan sucht die Stadt einen Investor. Bis dahin soll wieder Kultur rein. Nicht allen gefällt das.

Vor gut eineinhalb Jahren fand das letzte Konzert im Gasteig statt. Die Kultur musste raus, weil das Gebäude saniert werden soll. 450 Millionen Euro soll das kosten. Momentan sucht die Stadt einen Investor. Bis dahin soll wieder Kultur rein. Nicht allen gefällt das.

Von Christina Hertel

Am 15. Juli 2021 spielten sechs Organisten zum letzten Mal auf der über 30 Tonnen schweren Orgel im Gasteig. Seitdem ist sie eingelagert, denn der Gasteig musste ausziehen. Für 450 Millionen Euro soll das Haus saniert werden. Nun soll bald doch wieder Kultur rein - zumindest vorübergehend.

Bis die Sanierung des Ga-steigs beginnt, wird es dort eine Zwischennutzung geben. Doch während sich die einen freuen, dass eines der größten Kulturzentren Europas nicht leer steht, gibt es auch Bedenken - und zwar von Konzert- und Kulturveranstaltern.

Doch der Reihe nach. Dass es eine Zwischennutzung geben soll, hat der Stadtrat im Sommer entschieden. Mit bis zu 5,7 Millionen Euro bezuschusst die Stadt diese, heißt es aus dem Rathaus. Mit dem Geld sollen keine Gagen bezahlt, sondern die Kulturstätte soll fit für den Betrieb gemacht werden.

Außerdem beschloss der Stadtrat damals, dass es einen hohen Anteil an kostenlosen Angeboten geben soll, auch Proberäume und Ateliers sollten unterkommen. Grüne und SPD legten sogar fest, dass es zu keinen "problematischen Konkurrenzsituationen zu anderen Bühnen" kommen dürfe.

Doch nun gibt es die Sorge, dass genau das passiert. Denn die Stadt handelt den Vertrag gerade mit Kultur-Machern aus, deren Namen in München wohlbekannt sind: Till Hofmann, Chef des Lustspielhauses. Peter Fleming vom Technoclub Harry Klein. Michael Kern, den manche den "König des Münchner Nachtlebens" nennen, der eine alte Betonfabrik in Sendling in die Zwischennutzung "Sugar Mountain" verwandelte, und der unter anderem das Utopia betreibt. Nepomuk Schessl vom Klassik-Veranstalter Münchenmusik ist auch dabei. Wann es im Gasteig los geht, ist nicht klar. Das Wirtschaftsreferat prüft noch den Vertrag.

Doch Hans-Georg Stocker, der seit 32 Jahren das Backstage betreibt, hat schon jetzt Bedenken. "Ich schätze das Betreiber-Konsortium. Aber die Konstellation sehe ich problematisch. Das ist Wettbewerbsverzerrung, eine subventionierte Konkurrenz.” Stocker befürchtet, dass Künstler bald lieber im Gasteig auftreten als in den bestehenden Münchner Hallen. Schließlich könnten die Konditionen dank der städtischen Unterstützung sicher besser sein. "Auch der Standort mitten in der Innenstadt ist natürlich sexy."

Hinzu komme: "Wir haben gerade alle echt zu kämpfen.” Nicht nur die Energiekosten seien gestiegen. Und obwohl Corona vorbei ist, kommen sicher ein Drittel weniger Besucher als früher, schätzt er.

Dass es gerade die kleinen Kulturbetriebe bald noch schwerer haben könnten, befürchtet auch Norbert Kraft, Chef der Bühne im Schlachthof. Bei ihm hätten sich die Ausgaben für Strom und Gas verdreifacht, schätzt er. Ans Publikum kann er das nicht weitergeben - "sonst kommt ja keiner mehr." Die, die die Zwischennutzung Gasteig planen, müssten sich mit solchen Fragen nicht herumschlagen, schließlich kommt für ihre Infrastruktur der Steuerzahler auf, glaubt Kraft. Ganz ähnlich äußert sich Harald Ortlepp vom Circus Krone. Aus seiner Sicht gibt es in München genug privat finanzierte Häuser. Es sei doch keine städtische Aufgabe, mit Steuergeld noch eine weitere Stätte zu schaffen, meint er.

Wichtig ist allen drei: Sie wollen nicht die künftigen Betreiber, sondern die Stadt kritisieren. Weil sie fürchten, dass die Sanierung immer teurer wird, je länger die Stadt wartet. Und weil sie nicht verstehen, warum der Gasteig zwar plötzlich ausziehen musste, nun das Gebäude offensichtlich doch genutzt werden kann.

SPD-Stadtrat und Musiker Roland Hefter kennt die Sorgen aus der Kulturszene. Er fordert: "Bei einer Zwischennutzung, die der Steuerzahler erst möglich macht, darf es zu keiner Konkurrenz zu privaten Häusern, Bühnen und Hallen kommen." Auch die grüne Bürgermeisterin und Vorsitzende des Gasteig-Aufsichtsrats Katrin Habenschaden betont, dass die Zwischennutzung eine Ergänzung sein soll.

"München hat doch nicht zu viel, sondern zu wenig Räume", findet Michi Kern, der die Zwischennutzung vorantreiben will. "Es geht uns darum, Leuten, die bisher in München keinen Raum finden, Platz zu geben." Seine Beispiele: Techno-Kollektive, Off-Theater, Flohmärkte. Künstler sollen Proberäume und Ateliers im Gasteig finden. Alle könnten sich mit Veranstaltungen zu bewerben.

Mindestens läuft die Zwischennutzung bis Ende 2023. Gerade sucht die Stadt einen Investor, der alle Arbeiten übernimmt und das Haus dann an die Stadt vermietet. Das Vergabeverfahren ist laut Bürgermeisterin Habenschaden beendet. Nun werden die Ergebnisse aufgearbeitet. Als Nächstes werde der Stadtrat informiert.