Bayern
Jeans Kaltenbach: Die Jeans-Institution schließt nach 70 Jahren
23. März 2023, 18:15 Uhr aktualisiert am 23. März 2023, 18:15 Uhr
Norbert Kaltenbach ist anzuhören, dass ihm die Situation nahe geht. "Es ist uns sehr, sehr schwergefallen diese Entscheidung zu treffen", sagt der Firmen-Chef von Jeans Kaltenbach in der Herzogspitalstraße. Erst heuer hatte das Traditionsgeschäft im Herzen der Altstadt 70. Firmenjubiläum, nun hat der Räumungsverkauf begonnen. Jeans Kaltenbach schließt für immer.
Norbert Kaltenbach seufzt: "Während Corona haben die Leute wirklich gelernt, online einzukaufen", sagt der 60-Jährige im Gespräch mit der AZ. "Die kommen teilweise in den Laden, lassen sich beraten, probieren, machen Fotos und kaufen dann online."
Das veränderte Kaufverhalten der Kunden ist aber nicht der einzige Grund, warum dem Fachgeschäft nun die Luft ausgeht. "Die Innenstadt insgesamt leidet meiner Meinung nach unter den vielen Baustellen", sagt Kaltenbach. Immer wieder Sperrungen der Stammstrecke oder einzelner Bahnhofsausgänge am Stachus. Immer wieder Baustellen vor der Tür und in den umliegenden Straßen. "Das tut uns weh", sagt Kaltenbach.
Die meisten Kunden kämen aus der Fußgängerzone über die Eisenmannstraße, die aktuelle große Baustelle dort hätte man zuletzt sehr gespürt.
Und auch schon vorher, von 2008 bis 2019, seien in der direkten Umgebung immer irgendwo Bauarbeiten gewesen. "Die längste Baustelle der Innenstadt hat damals in der Zeitung gestanden", erinnert sich Kaltenbach. Über die Jahre gehe das alles an die Reserven.
Und dann kam noch Corona. Kaltenbach meldete 2020 Insolvenz an, schloss in der Folge seine Filiale in der Sendlinger Straße und schlug einen Sanierungskurs ein. Es reichte nicht.
"Letztes Jahr im Frühjahr", sagt Kaltenbach, "da hat man so richtig Hoffnung gehabt, jetzt geht es wieder nach oben - und genau dann kam der Ukraine-Krieg". Ein "richtiger Dämpfer sei das gewesen, "das hat das Kaufverhalten total ausgebremst", so Kaltenbach. Oben drauf kamen noch die Energiekosten. Die seien im Januar 2023 doppelt so hoch gewesen, wie im Januar 2022. "Wir haben eine besondere Beleuchtung, damit die Jeans farbecht rauskommt und die Leute nicht mehr ans Tageslicht vor die Tür damit müssen", erklärt er. Die brauche aber leider viel Strom.
Trotz aller Schwierigkeiten, die Belegschaft habe auf die Nachricht von der Schließung geschockt reagiert, sagt Kaltenbach. "Wir sind ein kleines, ganz tolles und sehr familiäres Team", sagt er. Eine Mitarbeiterin ist 45 Jahre im Unternehmen, zwei andere über 30 Jahre. "Da sind viele Tränen geflossen, nicht nur bei den Mitarbeitern."
Für die Münchner Innenstadt bedeutet die Schließung das Verschwinden eines weiteren Fachgeschäfts - und einer Institution. Generationen von Münchnern dürften hier ihre erste Markenjeans gekauft haben, vielleicht spendiert von den Eltern, vielleicht stolz erworben vom ersten eigenen Geld. "Wir waren in den 60er Jahren die Ersten, die in München Levis Jeans verkauft haben", sagt Kaltenbach. Die mussten damals noch importiert werden. "Eine 501 musste es oft schon sein, auch wenn sie nicht gut gepasst hat." Kaltenbach schmunzelt.
Auch nach 70 Jahren ist Jeans Kaltenbach ein Familienunternehmen. Norbert Kaltenbachs Vater Adolf, der heuer seinen 101. Geburtstag feiert, hatte das Geschäft 1953 gegründet. Und auch die dritte Generation wäre bereitgestanden - Kaltenbachs Tochter und Sohn, 17 und 21 Jahre alt, wollten übernehmen.
Wie es für ihn nach dem Räumungsverkauf weitergehe, wisse er noch nicht, sagt Kaltenbach. Er hofft, seine Mitarbeiter vermitteln zu können, sofern sie dies wollen. "Wir haben gute Beziehungen", sagt er. "Das möchte ich schon versuchen."