Bayern

Hoch über der Residenz: Der Zaubergarten vom Märchen-Kini Ludwig II.

Der Wintergarten König Ludwigs II. - ein sehr abgehobenes Refugium hoch über der Residenz.


Und der Blick auf den westlichen Teil des Wintergartens mit dem Himalaya-Bühnenprospekt im Jahr 1871.

Und der Blick auf den westlichen Teil des Wintergartens mit dem Himalaya-Bühnenprospekt im Jahr 1871.

Von tse

Ein maurischer Kiosk, ein orientalisches Zelt, exotische Pflanzen und Vögel - und ein mit Lohengrin-Kahn befahrbarer künstlicher See. Das klingt sehr nach dem Kini. Und genau der ließ sich so ein Weltflucht-Ensemble, ein 80 Meter langes Gebilde aus Glas und Stahl, mitten in München errichten - auf dem Dach des Festsaal-Baus der Residenz, direkt am Hofgarten.

"Es lag eine so seltsame Pracht in diesem Garten, dass es mir beim Austritte vorkam, als sei ich in einem Wunderlande gewesen", schrieb die Schriftstellerin Luise von Kobell (1827-1901), die diesen Zaubergarten einmal besuchen durfte.

Jahreszeiten und damit die Blühzeiten der Pflanzen konnten hier gesteuert werden - und eine illusionistische elektrische Beleuchtung sorgte für die Effekte.

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Der Grundriss des von Gartenbaudirektor Carl von Effner (1831-1884) ausgeführten Wintergartens aus dem Jahr 1870/71.

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Blick vom Kaiserhof der Residenz aus, auf den im Abbruch befindlichen Wintergarten.

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Blick auf den östlichen Teil des Wintergartens mit dem maurischen Kiosk und der künstlichen Grotte im Hintergrund aus dem Jahr 1880.

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Die gleiche Stelle im Kaiserhof heute: Vom Wintergarten und dem eigens dafür errichteten Anbau ist nichts mehr zu sehen.

Dass die für den künstlichen See eigens eingebaute Kupferwanne (Maße: 21,7 mal 12,4 Meter) undicht war? Und die im Stock darunter untergebrachten Bediensteten häufig mit Regenschirm schlafen mussten? Das kümmerte den spätfeudalen Monarchen freilich nicht.

Die "Neue freie Volkszeitung" schrieb unter dem Titel "Fabelhafte Pracht des neuen Wintergartens" 1879: "Jenes Wintergartens, der allein in München ein Rätsel ist, der seine eigene Sonne, seinen eigenen Mond besitzt, deren süßes dämmeriges Licht, wie es der Regenbogen spendet, einen kleinen See beleuchtet, an dessen Ufer der Schwan des Nordens träumend sein Gefieder putzt, während unter ihm im Grün versteckt, die Goldfische aus dem fernen Morgenlande sich scherzend verfolgen und die Vögel aller Länder auf den Bäumen zwitschern."

Klingt verrückt - und war es freilich auch. Wobei schon Ludwigs Vater, König Maximilian II., in den 1850er Jahren ebenfalls auf den Dächern der Residenz (auf dem Königsbau am Max-Joseph-Platz) einen ersten kleinen Wintergarten hatte anlegen lassen.

Nun, lange währte die fantastische Welt des Märchenkönigs freilich nicht. Nachdem er 1886 aus immer noch ungeklärten Umständen in Berg am Starnberger See ums Leben gekommen war, war es auch um seinen prächtig-kitschigen Wintergarten recht bald geschehen.

Sein Onkel, Prinzregent Luitpold, ließ den tropfenden Wintergarten quasi sofort stilllegen, um die darunter liegenden Gemächer nicht noch weiter zu schädigen. Die Anlage wurde 1897 dann verkauft und anschließend abgetragen. Der Krieg zerstörte dann auch noch den letzten kleinen Rest.