Bayern
Eigenbedarf aus religiösen Gründen: Vermieter kündigt Münchner Familie
27. Februar 2023, 18:25 Uhr aktualisiert am 27. Februar 2023, 18:25 Uhr
München - Bekannte der Münchner Familie Fellner (Name geändert) haben vor etwa einem Monat der AZ während ihres Urlaubs eine Mail geschrieben. Große Entrüstung war darin spürbar. Zurecht, muss man im Nachhinein sagen. Der Inhalt wirkte so absurd, dass es sich lohnte, der Angelegenheit mal nachzugehen.
"Der fünfköpfigen Familie Fellner wurde wegen Eigenbedarf gekündigt", stand darin. Soweit ein leider nicht allzu ungewöhnliches Szenario in München. Schließlich herrscht weiterhin deutlich mehr Nachfrage als Angebot auf dem Münchner Mietmarkt. Doch der Zusatz, den die betroffene Familie ihren Freunden im Urlaub weitergab, hatte es in sich: "Der Vermieter hat aus religiösen Gründen eine Kündigung ausgesprochen."
Das klang doch recht ungewöhnlich, so umkämpft der freie Mietmarkt in der Stadt auch ist. Und die Sache wurde Zeile für Zeile immer interessanter. Die Freunde der Familie Fellner schrieben. "Statt unseren Bekannten soll offenbar eine Familie der gleichen Glaubensrichtung des Vermieters einziehen", erzählten uns die Hinweisgeber. Demnach sei die potenzielle Nachmieter-Familie auch Mitglied einer freikirchlichen, protestantischen Gemeinde, so die Begründung.
Leider ist nicht alles, was nach dem Bauchgefühl sehr verwerflich klingt, auch immer messbares Unrecht. So falsch sich diese "Eigenbedarfs"-Kündigung sofort anfühlt, lohnte es sich natürlich, das Ganze schwarz auf weiß von Experten zu bekommen. In dem Fall vom Mieterverein.
Schon am Telefon musste sich Anja Franz, Sprecherin des Mietervereins, beherrschen. Deutlich spürte man ihre große Verwunderung. Später schreibt Franz der AZ: Das falle schlicht nicht unter Eigenbedarfskündigung, wenn ein Eigentümer aus religiösen Gründen wolle, dass der aktuelle Mieter auszieht.
Nur enge Verwandte seien rechtlich ein Grund für die Eigenbedarfskündigung: "Der Vermieter kann wegen Eigenbedarf kündigen, wenn er die Wohnung für sich oder einen nahen Angehörigen benötigt. Mitglieder der gleichen Glaubensgemeinde gehören auf keinen Fall zu dem Personenkreis, für den wegen Eigenbedarf gekündigt werden kann." Eine Kündigung mit so einer Begründung sei einfach nicht wirksam.
Doch was tun, wenn so eine absurde Entmietung schriftlich ins Haus flattert? Anja Franz empfiehlt: "Bei einer unwirksamen Kündigung muss der Mieter nicht ausziehen. Er kann dies dem Vermieter mitteilen, dann kann der Vermieter entscheiden, ob er eine Räumungsklage erhebt und das Gericht entscheiden lässt, ob die Kündigung wirksam ist." Eine solche Klage habe aber - wie im vorliegenden Fall - wenig Aussicht auf Erfolg.
Und wenn im Nachhinein einfach behauptet wird, dass ein naher Angehöriger einziehen solle und das mit dem Glaubensbruder ein Missverständnis gewesen sei? "Das ändert nichts an der Rechtslage, dass die ursprüngliche Kündigung unwirksam ist", schreibt Franz. Und wenn der Vermieter bald darauf eine neue schriftliche Kündigung mit einem neuen Grund hinterherschiebe, sei das schließlich wenig glaubhaft.
Die Familie Fellner hat also sehr gute Chancen, weiter in ihrer Mietwohnung bleiben zu können.