Bayern

Diesel-Dandler packen aus: So betrifft uns das Fahrverbot in München

Seit dem 1. Februar gilt in München ein Verbot von Diesel-Autos der Euro 4-Abgasnorm. Das schlägt sich auch bei den Gebrauchtwagenhändlern nieder.Was sie von dem Verbot halten.


Mieran Ali, 28, verkauft die Diesel-Fahrzeuge, die in München nicht mehr gefahren werden, ins Ausland weiter. Er findet: Das Diesel-Verbot verlagert das Problem nur. Foto: Daniel von Loeper

Mieran Ali, 28, verkauft die Diesel-Fahrzeuge, die in München nicht mehr gefahren werden, ins Ausland weiter. Er findet: Das Diesel-Verbot verlagert das Problem nur. Foto: Daniel von Loeper

Von Laura Meschede

München - Als Erstes ist das Münchner Diesel-Fahrverbot bei den Gebrauchtwagenhändlern angekommen. Schon seit Dezember, erzählt Cemal Gülmez, klingelt regelmäßig sein Telefon. Am anderen Ende der Leitung: rumänische Händler, die sich für Diesel-Fahrzeuge der Euro 4-Abgasnorm interessieren.

Die Händler wittern Schnäppchen. Und sie haben recht damit. Denn in den letzten Monaten sind die Preise für viele Diesel-Autos stark gesunken. Weil Fahrzeuge der Euro 4-Abgasnorm seit dem 1. Februar nicht mehr regulär durch München fahren dürfen, haben viele Autobesitzer sich entschieden, ihren Diesel zu verkaufen. An Menschen wie Cemal Gülmez. Er betreibt das "Autocenter Neuhausen" an der Landsberger Straße, der inoffiziellen Zentrale des Gebrauchtwagenhandels in München.

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Cemal Gülmez (65) ist kein Freund des Diesel-Verbots.

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Erwartet den Ansturm der Diesel-Verkäufer: Fahed Kayali.

Autohäuser namhafter Marken drängen sich hier neben den Parkplätzen der Gebrauchtwagen-Verkäufer, zwischen ihnen eine lange Reihe qualmender Autos, die niemals abbricht.

Nur ein paar hundert Meter entfernt von hier, auf der Landshuter Allee, hat das Umweltbundesamt immer wieder die höchste Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte in ganz Deutschland gemessen. Das Verbot, mit Fahrzeugen der Euro 4-Abgasnorm durch München zu fahren, soll diese Stickstoffdioxid-Werte senken. Gelingt das nicht, werden ab Oktober auch Diesel der Euro 5-Norm in München verboten werden.

Cemal Gülmez ist also nah dran am Diesel-Verbot - an seinem Auslöser ebenso wie an den Folgen.

Was halten er und seine Kollegen von dem Gesetz? Die AZ hat nachgefragt.

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"Das Fahrverbot ist der falsche Weg"

Cemal Gülmez (65) betreibt seit 45 Jahren das "Autocenter Neuhausen":

Für mein Geschäft ist das Diesel-Fahrverbot gut: Ich bekomme die Autos billiger und kann sie besser verkaufen. Der Preis für Euro 4-Fahrzeuge ist in den letzten Monaten um 30 bis 40 Prozent gefallen. Ich kaufe die Autos also günstig ein und verkaufe sie dann nach Afrika oder nach Osteuropa weiter. Die billigen Autos gehen vor allem nach Bulgarien und Rumänien. Dort gibt es keine Abgasnormen.

Aktuell laufen die Verkäufe so schnell, ich kriege meinen Stellplatz überhaupt nicht voll. Kaum habe ich ein Auto erworben, hat sich schon ein Käufer gefunden.

Aber auch wenn es für mich persönlich gut ist, bin ich gegen das Fahrverbot. Es ist einfach ungerecht. Diejenigen, denen es finanziell schlecht geht, die können sich damit Autos nicht mehr leisten. Mit dem Euro-6-Diesel darf man weiter fahren. Aber der kostet 15 oder 16 000 Euro. Einen Euro 4 dagegen kriegt man schon für 1500 Euro - aber den darf man nicht mehr fahren. Und dabei wird doch sowieso alles teurer, die Heizung, die Miete, das Essen.

Klar, wir brauchen auch frische Luft. Und an sich ist es ja auch richtig, dass die Diesel-Autos wegkommen. Allein, wenn ich mir die Landsberger Straße anschaue: Wie viele Autos da jede Minute vorbeifahren! Und was da alles aus dem Auspuff kommt! Das muss sich ändern. Aber das Fahrverbot ist der falsche Weg! Ich hätte stattdessen den Herstellern gesagt, dass sie keine Diesel mehr herstellen sollen. Dann hätten die Leute die Altbestände noch fahren können. Das wäre gerechter gewesen!"

Protokoll: Meschede

"Eine zusätzliche Verunsicherung"

Fahed Kayali (57), Geschäftsführer von "Auto Leopard" in Garching:

Bisher habe ich zwar noch nichts gemerkt von einem Ansturm von Diesel-Verkäufern. Aber ich erwarte, dass der in den nächsten Wochen kommt. Dann, wenn der Bürger merkt, dass das Gesetz jetzt wirklich umgesetzt wird. Dann muss ich schauen, dass ich die Autos wieder an den Mann bringe.

Allgemein versucht jeder Gebrauchtwagenhändler, seine Autos zu exportieren. Denn hier in Deutschland gibt es so viele Regeln. Man muss eine Gewährleistung abgeben und eine Garantie geben. Das fällt aus, wenn die Fahrzeuge in andere Länder verkauft werden. Ich exportiere deshalb etwa 80 Prozent meiner Autos. Wenn der Ansturm der Diesel-Verkäufer kommt, werde ich die Fahrzeuge nach Osteuropa exportieren.

Früher waren Diesel-Fahrzeuge mal teurer als Benziner. Aber heute kostet ein Diesel-Golf von 2008, der unter die Euro 4-Norm fällt, 2000-2500 Euro, während man für einen 2008er Benziner-Golf 3500 bis 4000 zahlt. Die Benziner sind teurer geworden, weil jetzt so viele ehemalige Diesel-Fahrer darauf umsteigen. Vor ein paar Wochen hat mir ein Mann seinen Diesel verkauft und konnte sich danach nur noch ein Mofa leisten. Jetzt muss seine Frau immer mit dem Roller zur Arbeit fahren.

Dieses Gesetz bedeutet eine zusätzliche Last und Verunsicherung für den Bürger. Ich verstehe nicht, wie sie das beschließen konnten."

P.: lm

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"Typisch weltfremde Politik!"

Mieran Ali (28) ist Prokurist bei der "Autowelt Kaufmann" an der Landsberger Straße:

Eigentlich sind Januar und Februar eher ruhige Monate für den Autohandel. Aber dieses Jahr ist das anders.

In den letzten Wochen gab es einen allgemeinen Ansturm. Alle wollten ihre Euro 4-Diesel loswerden. Für uns hatte das Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Wir konnten gut einkaufen. Der Nachteil: Wir wurden die Autos schwerer los. Denn wir verkaufen die Autos natürlich ins Ausland. Aber dort haben sie ja auch mitbekommen, dass es jetzt diese Regel gibt, deshalb zahlen sie dort auch weniger für die Euro 4- und Euro 5-Diesel. Aber letzten Endes kaufen sie sie trotzdem.

Langfristig verlagern wir mit dieser Regel das Problem mit den schmutzigen Städten einfach ins Ausland. Typisch weltfremde Politik!

Persönlich ist mir das Diesel-Verbot ja gleichgültig, aber die Argumentation dahinter, die finde ich heuchlerisch. Und ich mag keine heuchlerische Politik.

Die Abgase verschwinden schließlich nicht, wenn sie in einer anderen Stadt ausgestoßen werden. Und: Wenn die Leute in München nach dem Verkauf ihrer Diesel beispielsweise auf E-Autos umsteigen, produzieren sie auch weiterhin Emissionen. Weil der Strom für E-Autos ja aus Kohlekraftwerken kommt.

Die pusten die Emissionen dann halt nicht mehr in München in die Luft, sondern an dem Ort, an dem das Kohlekraftwerk steht. Aber dann so zu tun, als hätte man etwas gegen Emissionen und Abgase getan, während man sie in Wirklichkeit nur woanders hinschiebt, das ist unehrlich.

Kürzlich hatte ich eine alleinerziehende Mutter da. Die brauchte ein Auto, weil sie ihr Leben ansonsten mit Kind und Arbeit nicht hinbekommen hätte. Aber einen Euro 6-Diesel konnte sie sich nicht leisten. Euro 4 und Euro 5-Diesel hätte sie bezahlen können, aber Euro 4 darf man ja jetzt in der Stadt nicht mehr fahren, damit kann man sein Kind nicht zum Arzt oder zur Schule bringen. Und der Euro 5 wird ja demnächst vermutlich auch verboten. Die Frau war vollkommen überfordert. Am Ende hat sie dann einen alten Benziner gekauft. Den darf man noch fahren, aber er hat einen sehr hohen Verbrauch.

Ich finde, an so etwas sieht man, dass sich die Stadt München nicht wirklich um Menschen kümmert, die kein Geld haben. Das Diesel-Verbot zeigt das für mich einmal mehr.

Das Problem ist: Die Leute brauchen ein Auto - aber sie können es sich nicht leisten. Am Ende kaufen sie es dann trotzdem. Sie müssen ja irgendwie zur Arbeit kommen.

Allerdings habe ich auch einige Kunden, denen die Abgasnormen egal sind, weil sie in München sowieso nicht mit dem Auto fahren.

Die nutzen in München eigentlich nur die Öffentlichen - und fahren mit ihrem Auto dann in den Urlaub, wo es keine Abgasnormen gibt."

P.: lm