Bundesliga

«Dann muss er in die dritte Liga»: Kritik an Nagelsmann

Das 2:3 des FC Bayern München bei Borussia Mönchengladbach ist ärgerlich. Doch mit einem Ausraster im Kabinen-Gang handelt sich Trainer Julian Nagelsmann auch persönlich viel Ärger ein.


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Schiedsrichter Tobias Welz zeigt Bayerns Trainer Julian Nagelsmann die gelbe Karte.

Julian Nagelsmann hat sich erklärt, er hat sich entschuldigt und um mediale Gnade gebeten. Doch all das bewahrt den Trainer des FC Bayern München nicht vor Ärger für seinen Ausraster im Kabinen-Gang nach dem 2:3 (1:1) bei Borussia Mönchengladbach. Der DFB-Kontrollausschuss hat Ermittlungen eingeleitet, von Experten gab es heftige Kritik und der frühere Bayern-Kapitän Lothar Matthäus vermutet, dass der Coach auch bei seinem Club zum Rapport muss.

"Wenn er nicht will, dass seine Worte auf die Goldwaage gelegt werden, dann muss er in die dritte oder vierte Liga gehen. Da interessiert es keinen, was er erzählt", spottete Sky-Experte Dietmar Hamann. Für Kollege Matthäus war "die Wortwahl weit daneben. Jetzt nur Schwamm drüber - damit ist die Sache nicht bereinigt".

Bei aller Reue danach ist auch fraglich, ob Nagelsmann die Worte gegen die Schiedsrichter einfach herausgerutscht waren. Der 35-Jährige ist Medienprofi, er hatte die zahlreichen Journalisten im Kabinen-Gang gesehen, als er auf ihrer Höhe für alle deutlich rief: "Das ist doch ein Witz, will der mich verarschen oder was?" Und als er nach rund zwei Minuten wieder herauskam, fluchte er erneut für alle laut hörbar. Die umstrittene Rote Karte gegen Dayot Upamecano (8.) war da schon zwei Stunden her, die Anwesenheit der Journalisten war Nagelsmann da mindestens egal.

Im Interview von ZDF und Sport1 darauf angesprochen, dass er auch "weichgespültes Pack" gesagt haben soll, sagte Nagelsmann: "Ja, aber damit meine ich ja nicht immer die Schiedsrichter." Der Kontrollausschuss werde im ersten Schritt der Ermittlungen Nagelsmann zu Wochenbeginn anschreiben und zu einer Stellungnahme auffordern, teilte der DFB am Sonntag mit.

Auf der Pressekonferenz bat Nagelsmann die Journalisten um Milde. "Bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Es ist nicht alles richtig, was ich sage oder von mir gebe. Deshalb nicht 18 Nachfragen und nicht auf jedes Titelblatt bitte." Bei Twitter schrieb er, er müsse sich "für die Wortwahl gegenüber dem Team rund um Tobias Welz entschuldigen. Da bin ich leider eindeutig zu weit gegangen".

Welz machte am Sonntag im "Doppelpass" bei Sport1 klar, dass er sich mit den verbalen Attacken von Nagelsmann nicht beschäftigen wolle. "Ich habe das in keinster Art und Weise mitbekommen", sagte er: "Wenn mich niemand direkt anspricht, fühle ich mich auch nicht angesprochen. Beim nächsten Mal werden wir uns die Hand geben und ganz normal miteinander umgehen." Die Diskussion in der Kabine habe "unter Männern auf Augenhöhe stattgefunden". Sie sei zwar "von einer Seite emotional" geführt worden, "aber da wurden keine Beleidigungen ausgesprochen. Da war alles in Ordnung, wie es gelaufen ist".

Von Hasan Salihamidžić bekam Nagelsmann zunächst Rückendeckung, auch wenn der Sportvorstand nach eigener Aussage die konkrete Wortwahl Nagelsmanns zu dem Zeitpunkt noch nicht gekannt hatte. "Ich glaube, das muss man ihm jetzt erst mal zugestehen", sagte er bei Sky. Präsident Herbert Hainer zeigte zumindest Verständnis für den Ärger des Trainers. "Ich finde die Entscheidung äußerst grenzwertig - ich hätte sie so nicht getroffen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Sie beeinflusst das Spiel nachhaltig."

Auch von den Trainerkollegen erhielt Nagelsmann Unterstützung. "Ich habe seinen Ausraster gar nicht mitbekommen", sagte Gladbachs Daniel Farke: "Aber ich habe Verständnis für Emotionen von Trainerkollegen. Mir ging es beim letzten Spiel ähnlich. Deswegen kann ich das zu Hundert Prozent nachvollziehen, dass man emotional ist."

Der Kölner Steffen Baumgart hielt sogar ein flammendes Plädoyer für seinen Münchner Kollegen. "Das Wort ist falsch gewählt, absoluter Müll, das gehört sich nicht, darüber muss man nicht diskutieren", sagte Baumgart dem TV-Sender Bild: "Er ist über die Grenze gegangen. Aber wenn sich jemand entschuldigt, und das war aus meiner Sicht eine ehrliche Entschuldigung, muss man das auch mal akzeptieren." Es sei richtig, dass Trainer eine Vorbildfunktion erfüllen müssten, so Baumgart, "aber wir sollten da den Mensch auch Mensch sein lassen" und nicht nur "Roboter" erziehen. "Jetzt kommt jeder aus den Löchern geschossen und sagt, wie er es hätte machen sollen. Aber keiner ist in der Situation."

Der frühere Meistertrainer Armin Veh erklärte derweil: "Er ist ein guter Trainer. Aber ihm fehlt eindeutig Souveränität. Was natürlich damit zu tun hat, dass er noch jung ist." Matthäus, einst selbst viele Jahre Trainer, zeigte kein Verständnis für Nagelsmanns Verhalten. Er erwarte von einem Coach des FC Bayern und von jedem Verantwortlichen an der Seitenlinie "eine richtige Wortwahl" und "dass sie sich unter Kontrolle haben".

Hamann vermutet zudem, dass auch die frühe taktische Auswechslung von Thomas Müller als Offensivspieler in Unterzahl (16.) für Nagelsmann zum Problem werden könnte. "Den Kapitän da rauszunehmen, geht nicht", meinte Hamann: "Wenn du ihn in der Phase vom Platz nimmst, hätte er gar nicht Kapitän sein sollen." Er mache sich "als Trainer angreifbar. Was das für Wellen schlägt, werden wir erst in den nächsten Tagen sehen".

So oder so werden die nächsten Tage spannend. Durch das 0:0 des 1. FC Union gegen den FC Schalke 04 mussten die Bayern die Spitzenposition nicht an die nun punktgleichen Berliner abgeben. Für Nationalspieler Joshua Kimmich ist das nächste Spiel gegen das Überraschungsteam aus der Hauptstadt wegweisend: "Entscheidend ist, dass wir nach dem Spiel am nächsten Sonntag vorne stehen."