Wochenendreisen
Ausflügler mit 9-Euro-Tickets füllen die Regiozüge
29. Juni 2022, 6:11 Uhr aktualisiert am 3. April 2023, 18:04 Uhr
Mal zum Tegernsee, zum Radwandern an die Donau oder zum Stadtbummel nach Bayreuth - der Freifahrtschein zum Schnäppchenpreis kommt in Bayern gut an. Pendler dagegen lassen sich damit weniger zum Umsteigen in Bus und Bahn bewegen.
Seit Einführung des 9-Euro-Tickets sind viele Züge in Bayern wieder voller. "Mancher Fahrgast wundert sich vielleicht, dass wieder jemand direkt neben ihm sitzt. Das war man gar nicht mehr gewohnt", sagt Annette Luckner, Sprecherin der Bayerischen Regiobahn (BRB). Auch die Deutsche Bahn, die in Nordbayern verkehrende Eisenbahngesellschaft Agilis und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) berichten von volleren Zügen, vor allem zu touristischen Zielen.
"Es sind vor allem mehr Ausflügler, mehr ältere Menschen in den Zügen", sagt Luckner. "Viele freuen sich, dass sie mit wenig Geld mal weiter wegfahren können." Die Züge der BRB fahren zwischen Eichstätt, Augsburg, Allgäu, Tegernsee, München, Kufstein und Berchtesgaden. "Während der Pandemie hatten wir zum Teil nur noch 30 Prozent Auslastung gehabt. Jetzt sind die Züge wieder so voll wie vor Corona."
Überfüllte Züge in Tourismusgebieten
In den Regionalzügen der Deutschen Bahn kommt "es vor allem entlang touristischer Strecken regional wie erwartet zu Auslastungsspitzen", teilte die Bahn mit. Unter der Woche habe das 9-Euro-Ticket die Zahl der Fahrgäste nur um etwa zehn Prozent erhöht.
Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zählt insgesamt etwa zehn Prozent mehr Fahrgäste. Unter der Woche liege man weiterhin unter Vor-Corona-Niveau, an Wochenenden etwa auf Vor-Corona-Niveau. Damit sei man "weit entfernt von einer Überlastung", sagt ein Sprecher.
Bei Agilis sind entlang des Donauradweges und auf einigen anderen Strecken viele Fahrgäste mit dem Fahrrad unterwegs. "Vereinzelt kam es bereits zu Fällen, in denen wir keine Kapazitäten mehr für die Fahrradmitnahme hatten", sagt Sprecherin Alisa Weinhold. "Wir nehmen einen zusätzlichen Anreiz für Touristen beziehungsweise Bewohner der umliegenden Region wahr, die größeren Städte in unserem Streckennetz (Regensburg, Ulm, Bayreuth) zu besuchen." Die Auslastung der Züge sei aber von Strecke, Zeit und Wetter abhängig. "Das Vor-Krisen-Niveau haben wir noch lange nicht erreicht."
Ein überfüllter Regionalzug der ostbayerischen Länderbahn von München nach Regensburg war am vergangenen Sonntag von der Bundespolizei geräumt worden. Das hatte Schlagzeilen gemacht, blieb aber eine Ausnahme.
Angebot erweitert
Die Bahn etont, sie habe ihr Angebot im Regional- und im Fernverkehr erhöht. "Wir setzen alles in Bewegung, was wir haben", sagt eine Sprecherin. Auch die BRB betont: "Alles rollt, was wir haben." Ein enormes Problem seien allerdings die vielen Baustellen und Langsamfahrstellen der DB Netz, die nach dem Unfall in Garmisch-Partenkirchen ihre Gleise sehr genau anschaue. Auf den BRB-Strecken Richtung Chiemgau und Inntal sei die Hälfte der Züge deshalb verspätet.
Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Pro Bahn, sagt: "Wir ziehen eine gemischte Bilanz des 9-Euro-Tickets." Die Bahnbetreiber hätten zwar die "zwei bis drei Prozent, die noch möglich waren rausgeholt". Aber: "Das System ist am Limit". Der Pendlerverkehr habe zugenommen, sei aber noch wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Im Freizeitverkehr sei es dagegen sehr voll, gerade an Pfingsten, Fronleichnam und dem darauffolgenden Wochenende habe sich das gezeigt. Es habe auch Konflikte zwischen Rollstuhlfahrern und Radfahrern gegeben. Menschen, die erstmals seit langem wieder Bahn fahren, könnten durch negative Erfahrungen abgeschreckt werden.
Das 9-Euro-Ticket zeige immerhin, wie viele Menschen den ÖPNV nutzen würden, wenn er günstig und einfach wäre, sagte Iffländer. Agilis-Sprecherin Weinhold betont, die Aufmerksamkeit für den ÖPNV sei heute höher als je zuvor. "Wir haben die Hoffnung, den Menschen aufzuzeigen, dass es Alternativen zum Auto gibt und dass am Ende neue Kundinnen und Kunden bei Agilis bleiben."
Der Freifahrschein zum Schnäppchenpreis kostet den Steuerzahler bis Ende August jedoch 2,5 Milliarden Euro. Selbst der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) räumt ein: "Auf Dauer sind solche Super-Sonderangebote wie das 9-Euro-Ticket kaum finanzierbar." BRB-Sprecherin Luckner sagt: "Die entscheidende Frage ist immer, wer bezahlt." Iffländer erwartet bald sogar wieder Preissteigerungen. "Dann hätten wir nichts gewonnen am Schluss."