Bayern

Aufstieg in die Champions League

"Silicon Valley Bayern" erklärt, warum der Freistaat so erfolgreich ist


Dr. Rudolf Hanisch, ehemaliger Amtschef der Staatskanzlei.

Dr. Rudolf Hanisch, ehemaliger Amtschef der Staatskanzlei.

Das Silicon Valley in Kalifornien, bei San Francisco: 4 000 Quadratkilometer, 2,3 Millionen Bewohner. Mythenumrankte Hightech-Schmiede. Dort, wo die Champions beheimatet sind. Und nun - eingeholt vom Silicon Valley Bayern, 70 000 Quadratkilometer, 13 Millionen Einwohner. Eine Fiktion? Ein geradezu enzyklopädisches Werk - "aus dem Maschinenraum der Politik" - weist nach, wie der Freistaat die ökonomische Entwicklung zu einer europäischen Spitzenregion geschafft hat - Silicon Valley Bayern.

Bis weit ins 20. Jahrhundert war Bayern ein Agrarstaat; früher mal sehr reich, als Land-, Forst- und Viehwirtschaft noch eminente Erwerbszweige waren, dann bald und schnell hinter industrialisierte Regionen zurückfallend. Ab dem Kriegsende suchte Bayern den Anschluss an die übrigen Bundesländer. Mitte der achtziger Jahre war der Gleichstand geschafft. Dann ging es auf die Überholspur und seit der Jahrtausendwende unangefochten an die Spitze.

Das bayerische Trio: Goppel - Strauß - Stoiber

Ministerpräsident Alfons Goppel (1962 -1978) leitete den Übergang vom Agrar- zum Industriestaat ein, Franz Josef Strauß (1978 - 1988) perfektionierte den international wettbewerbsfähigen Industriestaat, Edmund Stoiber (1993 - 2007) machte Bayern zum Hightech-Staat, zu einer der führenden Wirtschaftsregionen Europas und der Welt.

Das lässt sich an unbestechlichen Zahlen ablesen: Bis in die 1980er Jahre war Bayern Nettoempfänger im Länderfinanzausgleich, dann einige Jahre bei plusminus null, seit den 1990er Jahren ununterbrochen Nettozahler und zwar mittlerweile mit so weitem Abstand, dass Bayern mehr als die Hälfte des Länderfinanzausgleichs bestreitet.

Was macht diesen phänomenalen ökonomischen und sozialen Erfolg Bayerns aus? Legten Goppel und vor allem Strauß die Basis für den modernen Industriestaat, so war es dann die Ära Stoiber, die Bayern ins internationale Spitzenfeld katapultierte. Wie immer, so hatte der Erfolg auch hier viele Väter. Und gerade in der Politik schmückt man sich gerne auch mit fremden Federn. Unbestritten indes gilt Rudolf Hanisch als der Architekt des Hightech-Staates Bayern.

Wer aber ist dieser Mann? Hanisch, Jahrgang 1943, diente noch Franz Josef Strauß als Referent, dann Stoiber, und wurde, als Stoiber in die Staatskanzlei einzog, dessen Amtschef und somit Bayerns oberster Beamter - Stoibers Berater und Macher. In dieser Funktion entwickelte Hanisch im Auftrag und Seit' an Seit' mit Stoiber das Konzept der "Offensive Zukunft Bayern" in drei Tranchen: Offensive I (1994), Offensive II (1996) und Hightech-Offensive (1998/99) - ein universelles politisches Konzept, das alle Bereiche, von der Kultur- bis zur Umweltpolitik, durchdringen sollte. Das Konzept war so überzeugend, dass es auch die SPD-Fraktion mittragen konnte, wenngleich Renate Schmidt (SPD) als Oppositionsführerin noch pflichtgemäß wetterte, dass Stoiber Bayerns Tafelsilber verscherbeln wolle. Denn finanziert werden sollten die Offensiven unter anderem mit Milliardenerlösen aus dem Verkauf bedeutender Unternehmensbeteiligungen Bayerns. Unter Stoiber aber galt das neue Motto: Der Staat soll gestalten, nicht besitzen.

Diese bayerische Erfolgsgeschichte hat Rudolf Hanisch nunmehr in einem 440 Seiten dicken Buch niedergeschrieben, das seiner Faktenfülle und -dichte wegen schon enzyklopädische Qualität als Nachschlage- und Quellenwerk hat: Silicon Valley Bayern. Nicht nur für Politiker oder Fachleute aus Wissenschaft und Verwaltung ein ebenso interessanter wie unverzichtbarer Lesestoff, wie das moderne Bayern entstanden ist, sondern für alle daran interessierten Bürger.

Exklusiv in Planung und Umsetzung

Mit der Offensive Zukunft Bayern (OZB) wurde erstmals in Bayern die Innovationspolitik zum zentralen Politikfeld. Finanziert mit 4,5 Milliarden Euro aus Privatisierungserlösen und Drittmitteln, entstand die größte Innovationsoffensive in Deutschland. Was die Offensive letztlich so besonders machte, lag insbesondere auch daran, wie sie geplant, gemanagt und administriert wurde. Nicht die Landesministerien, nicht das Kabinett oder einer seiner Ausschüsse noch eine Expertenkommission wurden beauftragt, sondern einzig und allein die Amtsführung der Staatskanzlei - Rudolf Hanisch und sein Stab - plante und managte die OZB und Stoiber vertrat sie offensiv politisch nach außen. Es wurde in dieser hochbedeutenden Angelegenheit zwar im Landtag auch heiß debattiert, aber in der Exekutive durchregiert, ohne jede Verzettelung oder Zerreden. Das machte sie so erfolgreich und effizient.

Behandelt Teil eins des Buches die Ausgangslage, die Stoiber bei Regierungsantritt im Frühjahr 1993 vorfand, so werden im zweiten Teil ausführlich sämtliche 320 Einzelprojekte der OZB erläutert: von den internationalen Leuchttürmen in Garching, Martinsried oder Erlangen bis zu den Regionalkonzepten: Das bayerische Silicon Valley, wie es Architekt und Autor Hanisch nennt, sollte allen Landesteilen, nicht nur den Ballungszentren München und Nürnberg, einen Innovationsschub bringen. Das ist zweifellos vollauf gelungen, wie die ökonomische und fiskalische Spitzenposition Bayerns seit 20 Jahren beweist. Ein bayerisches Silicon Valley sei begründet worden, so Hanisch, allerdings mit deutlichen Unterschieden zum kalifornischen Vorbild.

Dabei kommen auch große regionale Maßnahmen nicht zu kurz. Insbesondere sticht hier die Entstehungsgeschichte des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing heraus. Sie gilt als besonders spannend und als Lehrstück dafür, dass bedeutende öffentliche Einrichtungen nicht nur nach politischen Planungskonzepten entstehen, sondern gemeinsamer Bürgersinn sich selbige auch erstreiten und erkämpfen kann. Voraussetzung: Die Sachargumente sind überzeugend.

Im dritten Teil des Buches geht es um eine "nachdrückliche Reflexion der Zukunftsperspektiven". Es wird auch ein Vergleich zur Situation vor 25 Jahren gezogen, die ebenfalls von Migration, Rechtsextremismus sowie handfesten wirtschaftlichen Problemen geprägt war. Heute stehe der Freistaat, resümiert der Autor, vor einer Zeitenwende, die vom globalen Umbruch, zunehmender Digitalisierung und drohender Spaltung der Gesellschaft geprägt sei.

Mittelständler statt globaler Giganten

Ausgerichtet an der sozialen Marktwirtschaft, nicht an einer marktradikalen, neoliberalen Ideologie, sollte das Silicon Valley Bayern werden, schreibt Hanisch. Und ein Silicon Valley des Mittelstandes, keine Kopie Kaliforniens: Anstelle globaler Internetgiganten habe das Silicon Valley Bayern 20 000 mittelständische Unternehmen und zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert.

Damit diese Phase bayerischer Politik, die dem Land hohen Wohlstand gebracht habe, in Erinnerung bleibe, und damit deutlich werde, worauf die Prosperität Bayern beruhe, habe er das Buch geschrieben: auf einer Zukunftsinitiative für den wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Dass es in der zehnjährigen Regierungszeit Horst Seehofers vergleichbare Initiativen nicht gegeben hat, kann Bayerns Vorsprung gefährden oder schrumpfen lassen. Einschlägige Studien dazu liegen bereits vor. Ein Warnsignal für die neue Staatsregierung unter Markus Söder.

Info

Dr. Rudolf Hanisch: Silicon Valley Bayern - Bilanz und Perspektiven bayerischer Innovationspolitik;

1. Auflage Herbst 2018; Verlag Attenkofer, Straubing. Erhältlich ist das Buch in den Geschäftsstellen des Verlages Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung sowie in Buchhandlungen.